Teilnehmer*innen zur Gedenkaktion für 1616 KZ-Häftlinge in den Adlerwerken
Die Teilnehmer*innen kommen aus allen gesellschaftlichen Bereichen in Frankfurt und Umgebung. Gewerkschaftschaftsmitglieder, Mitglieder von Kirchengemeinden, Sportvereinen, Menschen aus dem Gallus, Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern. Auch Gruppen aus Wohnprojekten, Student*innen, Professor*innen und Künstler*innen sind dabei sowie Stadtverordnete, Landtags- und Bundestagsabgeordnete und Ortsbeirät*innen.
Der Zuspruch ist sehr gut, die meisten schreiben, dass sie die Aktion großartig und sehr wichtig für das Erinnern finden. Zitat einer Teilnehmerin: "Ich nehme teil, weil ich die Aktion gut und sinnvoll und gut umzusetzen finde, auch eindrucksvoll, wenn man wirklich die entsprechende Anzahl Personen dafür gewinnt."
Frage: Sie stehen am 19. März für einen KZ-Häftling, dessen Namen Sie nennen, was bewirkt das bei Ihnen?
"Trauer und ein Gefühl der Verbundenheit. Sein Name und sein Leben sind nicht vergessen. 'Erst wenn sich niemand mehr an dich erinnert, dann bist du wirklich tot.'"
Oder ein weiterer Teilnehmer: "Es macht mich traurig, aber zugleich auch stolz an Johann Cybulski erinnern zu dürfen."
Und noch einer: "Dem Versuch der Nazis, Menschen zu entmenschlichen indem sie sie ihrer Identität zu berauben suchten, wirklich zu entgegen, indem ich den KZ Häftling beim Namen nenne!"
Einige Stimmen von Teilnehmer*innen:
Frage: Wie sind Sie auf die Aktion aufmerksam geworden?
Susanne N. Ich bin durch Pfarrer Thomas Schmidt (Katholisch im Gallus), zu dessen pastoralem Raum ich gehöre, darauf aufmerksam geworden. Ich möchte teilnehmen, weil ich die Aktion gut und sinnvoll und gut umzusetzen finde, auch eindrucksvoll, wenn man wirklich die entsprechende Anzahl Personen dafür gewinnt.
N. Ich bin auf die Aktion durch unsere gemeinschaftliches Wohnen Gruppe AdAptiv aufmerksam geworden.
Frage: Was gab den Ausschlag, daran teilzunehmen?
Daniela O. Meine Überzeugung, durch Öffentlichkeit dem Vergessen entgegen zu wirken und die Gräueltaten der Vergangenheit immer wieder ins Bewusstsein zu bringen, hauptsächlich auch, da das KZ in den Adlerwerken scheinbar nicht allen Menschen/Frankfurtern bekannt ist.
Thomas N. Ich arbeite in den Adlerwerken in der Kleyerstraße 27 seit 15 Jahren und
habe mich schon mehrmals mit der Geschichte des Gebäudes befasst.
Mohammed J. Unsere Verurteilung der Naziideologie und des Antisemitismus.
Juliane F. Das Gefühl, jetzt auch aufstehen zu müssen. Damit „nie wieder“ auch tatsächlich nie wieder passiert.
Christine H. Präsenz zu zeigen in Zeiten wo Antisemitismus wieder auflebt
Ahmet R. Ich bin ein Menschenfreund und gegen alles Ungerechte, welches den Menschen die Freiheit nimmt. Ich bin in Sachen gegen Antisemitismus und Rassismus, für Frauenrechte stark engagiert.
N. Den Ausschlag gab die gute Idee und das Format (auch in Coronazeiten machbar und im öffentlichen Raum sichtbar!). gerade merkt man ja wieder, wie wichtig ist und immer wichtiger es wird, sich dafür einzusetzen und es sichtbar zu machen, sich dagegen zu wehren, dass die faschistischen, rassistischen, fremdenfeindlichen Gedanken sich wieder fest setzen oder sich etablieren.
Nadia B. Ich habe vor vielen Jahren auch schon eine Patenschaft für einen Stolperstein übernommen und finde es grundsätzlich sehr wichtig an diese Zeit der deutschen Geschichte zu erinnern.
Helga G. Den Ausschlag daran teilzunehmen gab meine Empathie für diese Menschen, die in einer für viele Bevölkerungsgruppen schrecklichen Zeit lebten und ein unmenschliches Schicksal erlitten. Es ist mir ein Anliegen, diese Schicksale sichtbar zu machen um daraus zu lernen.
Als Grundschullehrerin hatte ich mit einer Kollegin in den letzten Jahren immer wieder das Thema Nationalsozialismus an der Biographie- und Stadtteilarbei zu Johanna Tesch und 2020 aktuell bei der Platzeinweihung von Cäcilie Breckheimer behandelt. 2020 hatten wir die Enkelin von Cäcilie Breckheimer in der Klasse zu Besuch und ein KZ Überlebender aus der Geschichte der Eintracht Frankfurt. Das hat mich und die Kinder nachhaltig geprägt. Das in Kürze. In diesem Zusammenhang möchte ich auch sagen, dass es mir ein Anliegen ist, die Mechanismen, die dazu (Gewalt, Ausgrenzung, Aufrechterhaltung von Machtstrukturen) führten deutlich zu machen. So führten wir ein Training mit den Kindern durch (Achtsamkeit, Streitregulierung, Selbstbewustsein aufbauen) und philosophierten zu versch. Themen (u.a.: Was ist gerecht).
Frage: Du stehst am 19. März für einen KZ-Häftling, dessen Namen du nennst, was bewirkt das bei dir?
Daniela O. Bin mir noch nicht ganz sicher, Trauer, Wut…
Thomas N. Es macht mich traurig, aber zugleich auch stolz an Johann Cybulski erinnern zu dürfen
Mohammed J. Dem Versuch der Nazis, Menschen zu entmenschlichen indem sie sie ihrer Identität zu berauben suchten, wirklich zu entgegnen, indem ich den KZ Häftling beim Namen nenne!
Christine H. Tiefe Demut, was die sogenannten Häftlinge durchleiden mussten und tiefe Trauer über den Holocaust und die Folgen
Ahmet R. Es ist bedrückend, dass dieser Mann, der so früh schon aus dem Leben scheiden musste und nie die Chance hatte, dort zu stehen, wo ich für ihn als freier Mensch stehen werde.
Nadia B. Es macht die Geschichte sehr real, da es um ein persönliches Schicksal geht. Eine Mischung aus Trauer um die Person und dem Versuch von einem Sühnezeichen durch die Veröffentlichung der Namen.
Juliane F. Trauer und ein Gefühl der Verbundenheit. Sein Name und sein Leben sind nicht vergessen. „Erst wenn sich niemand mehr an dich erinnert, dann bist du wirklich tot.“
Helga G. Dass ich am 19.3. für einen Häftling stehe hat bei mir zunächst mal sehr viele Gefühle ausgelöst, mit denen ich so nicht gerechnet hatte. Ich hatte recherchiert, woher er kommt, von der Krim, und realisiert, dass er wohl keine 18 Jahre alt war, als er nach Frankfurt kam. Ich habe mir Bilder angeschaut von seiner Geburtsgegend und mir vorgestellt, wie es wohl war, damals dort zu leben. Auch hatte ich mich dann mit der deutschen Besatzung der Krim auseinandergesetzt und gelesen, dass manche Krimbewohner froh waren über die Deutschen um dem russischen Bolschewismus zu entkommen. Das alles hat bei mri natürlich die Frage aufgeworfen, für wen stehe ich nun da? Die Frage werde ich nicht beantworten können, aber ich weiß, dass ein Jugendlicher sicherlich in der Findungsphase seines Lebens stand und nicht in der Endphase. Und er war ein Mensch.
N. Das ist ein seltsames Gefühl, für jemanden zu stehen, bei dem man vermutet er/sie hat sehr viel gelitten und ist gestorben, weil ein Diktator/ eine Macht das so wollte und ein Volk, wir Deutschen, das so unterstützt hat. Oft fühle ich mich noch machtlos und seltsam fremd, wenn ich daran denke, was meine Vorfahren da gemacht haben. Weil jedoch meine eigene Familiengeschichte auch eher von jüdischen Wurzeln geprägt ist, wir jedoch nicht selbst betroffen waren (die jüdische Richtung kam von einer männliche Seite) und wir eher durch Flucht aus dem Sudetendeutschen Gebieten betroffen waren (und dann noch aus der DDR geflüchtet sind), ist das nochmal eine ganz andere Geschichte. Jedoch fühle ich mich sehr verbunden mit den jüdischen Mitmenschen und möchte das hiermit auch zeigen.
Alle geben an, die zukünftige Gedenkstätte in den ehemaligen Adlerwerken allein oder auch mit Gruppen besuchen zu wollen.
aus: LAGG e.V., Pressemitteilung, 27. Januar 2022