Der Verein
Vereinsgründung
Der Verein "Leben und Arbeiten in Gallus und Griesheim e. V." kurz LAGG genannt, wurde 1992 als Selbsthilfeprojekt von Beschäftigten der Firma TA Triumph-Adler AG in Frankfurt gegründet. Initialzündung dafür war der Verkauf der Werkswohnungen im Bingelsweg im Frankfurter Stadtteil Griesheim. Jahrelang hatten die Beschäftigten schon um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze beim einst führenden Schreibmaschinenhersteller gekämpft.
Über 7.000 Menschen beschäftigte das Unternehmen mit Hauptsitz in Nürnberg noch Mitte der achtziger Jahre. Allein zwei Millionen elektronische Schreibmaschinen aller Größen produzierte Triumph-Adler von 1980 bis 1985. Verkauf und Wiederverkauf des Unternehmens prägten die wechselvolle Firmengeschichte und das Leben der Werksangehörigen. 1957 hatte Max Grundig die Traditionsunternehmen fusioniert. 1960 gab er Triumph-Adler an den amerikanischen Litton-Konzern ab. 1979 übernahm es die Volkswagen AG. 1986 verkaufte Volkswagen an den italienischen Büromaschinenhersteller Olivetti. Zu diesem Zeitpunkt fürchteten die Mieter der Werkswohnungen im Bingelsweg nicht nur um ihren Arbeitsplatz, sondern auch um ihr Zuhause. Sechs Jahre später wurde diese Befürchtungen Realität. Die Adlerwerke im Gallus sollten zum Jahresende 1991 geschlossen und das Gelände verkauft werden. In einem sechwöchigen Arbeitskampf erreichte die Belegschaft die Fortführung des Betriebes an einem neuen Standort in der Lärchenstraße in Frankfurt-Griesheim mit der halben Belegschaft. In Griesheim wurde bis 1998 weiter produziert. Danach wurde das Werk nur noch für Logistik und als Ersatzteillager genutzt. Im Sommer 2001 (rund 10 Jahre nach der eigentlichen Schließungsabsicht) wurde das Werk in Frankfurt endgültig geschlossen. Der Arbeitskampf hat sehr vielen Beschäftigten den Übergang in die Rente ermöglicht. Auf dem Arbeitsmarkt hatten viele der Adlerbeschäftigten zu dieser Zeit wenig Chancen.
Arbeitsplätze und Wohnungen waren weg
Im Februar 1992 hieß es: Der Verkauf der Werkswohnungen im Bingelsweg sei beschlossene Sache. Die Unternehmensleitung dementierte: Ein Verkauf sei nicht geplant. Insgesamt 42 Wohnungen waren 1951 für die Beschäftigten der Adlerwerke gebaut worden.
Die Mieter und der Betriebsrat forderten den Erhalt der Werkswohnungen und schlugen vor, dass ein geplanter Verkauf drei Monate vor Verkaufsverhandlungen bekannt gegeben werden sollte. Gemeinsam wollten sie nach Möglichkeiten suchen, die Wohnungen zu kaufen und für die Mieter zu erhalten.
Im Oktober 1992 dann der Schock: Das Gelände der Adlerwerke in Gallus war mitsamt der Wohnungen in Griesheim bereits verkauft worden. Der bekannte Investor Roland Ernst hatte sie zum 31.12.1992 erworben. Zu diesem Zeitpunkt lebten 100 Menschen in den Wohnungen. Jetzt hieß es schnell handeln. Vermittelt durch den damaligen Frankfurter Oberbürgermeister Andreas von Schoeler nahm der Betriebsrat Kontakt zu Roland Ernst auf, der sich bereitfand, die Wohnungen zum Kaufpreis wieder zu verkaufen. Doch wer sollte der Käufer sein?
Hilfe zur Selbsthilfe
Die Vereinsgründung des LAGG war geplant, aber noch nicht abgeschlossen. Die Mieter und der Betriebsrat standen vor der Wahl: Die Wohnungen preisgeben oder sofort mit Investor Ernst einen Vorvertrag machen?
29 der Mieter wollten Eigentümer werden. Um den erforderlichen Kredit für alle Wohnungen zu erhalten, waren sie bereit, ohne notarielle Absicherung sofort zehn Prozent ihres Anteils am Kaufpreis auf ein Treuhandkonto zu zahlen. Das war fast eine halbe Million Mark. Der Volksbank reichte das als Eigenkapital, um den Rest der Kaufsumme zu finanzieren.
Die Gründung des LAGG e. V. erfolgte im Dezember 1992.
Die Werkswohnungen wurden in Eigentumswohnungen umgewandelt. Von den 42 Wohungen wurden 29 Wohnungen von den MieterInnen und Werksangehörigen gekauft und 13 Wohnungen übernahm der Verein LAGG (MieterInnen konnten wohnen bleiben). Der endgültige Kaufvertrag für die Wohnungen wurde im Januar 1993 abgeschlossen. Da die Hälfte der Kaufsumme erst vier Monate später gezahlt werden musste, konnte der Kauf am Ende sogar mit einem Zinsgewinn abgeschlossen werden. 10 Jahre später verkaufte der LAGG zwei weitere Wohnungen an MieterInnen zwecks Schuldentilgung.
Seit 2002 ist der Verein „Leben und Arbeiten in Gallus und Griesheim e. V. schuldenfrei. Die durchschnittliche Miete für die elf Wohnungen im Besitz des LAGG beträgt heute 5,99 Euro pro Quadratmeter. Nach der Stilllegung der Schreibmaschinenproduktion in den Adlerwerken in Gallus erzwangen Betriebsrat und Belegschaft eine Fortführung des Betriebes in der Lärchenstraße im Frankfurter Stadtteil Griesheim. 1998 wurde dann die Produktion in dem letzten inländischen TA-Werk für Schreibmaschinen mit zuletzt etwa 100 Beschäftigten beendet und das Gelände wurde bis 2001 nur noch als Logistik- und Ersatzteilzentrum genutzt.
Während der Zeit im Werk Griesheim betrieb der Selbsthilfeverein LAGG nach Rückzug des Caterers die Kantine, organisierte Sprach- und PC-Kurse sowie StaplerfahrerInnenausbildung. Der LAGG organisierte nach Einstellung der Werksbusse durch TA, durch Leasing von Fahrzeugen den Transport der Beschäftigten. Außerdem begann mit der Gründung des Verein LAGG der Kampf um Aufarbeitung, Entschädigung und Erinnerung an die Greuel des KZ Katzbach in den Adlerwerken im Faschismus.
Als „Hilfe zur Selbsthilfe“ gegründet, setzte und setzt sich der LAGG weiter für Projekte in Gallus und Griesheim ein.